Verjährung des Auskunftsanspruchs bei der Mietpreisbremse
Die Verjährung des Auskunftsanspruchs des Mieters gegen den Vermieter nach den Vorschriften zur sogenannten Mietpreisbremse (§ 556g Abs. 3 BGB) beginnt nicht bereits mit Abschluss des Mietvertrages, sondern erst mit dem Auskunftsverlagen des Mieters.
In den vier aktuell vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen macht die Klägerin, eine in das Rechtsdienstleistungsregister eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, aus abgetretenem Recht Ansprüche von Mietern, deren Wohnungen gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015 in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegen, wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) gegen die beklagten Vermieter geltend. Sie verlangt gemäß § 556g Abs. 3 BGB die Erteilung von Auskunft über verschiedene für die Berechnung der zulässigen Miethöhe nach den §§ 556d ff. BGB maßgebliche Umstände, gemäß § 556g Abs. 1 Satz 3 BGB die Rückzahlung ihrer Ansicht nach überzahlter Miete und als Schadensersatz die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten. Die Beklagten berufen sich unter anderem auf Verjährung des Auskunftsanspruchs (§ 214 Abs. 1 BGB).
In drei Verfahren[1] ist das Landgericht Berlin (Zivilkammern 65 und 67) in der Berufungsinstanz davon ausgegangen, dass der Auskunftsanspruch der Mieter nicht verjährt sei[2]. Ebenso wie der Auskunftsanspruch gemäß § 242 BGB könne der Auskunftsanspruch des Mieters gemäß § 556g Abs. 3 BGB als Hilfsanspruch nicht vor dem Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete aus § 556g Abs. 1 Satz 3 BGB als Hauptanspruch verjähren. Demgegenüber hat eine andere Kammer des Landgerichts Berlin (Zivilkammer 63) in dem vierten Verfahren[3] eine Verjährung des Auskunftsanspruchs angenommen[4]. Für diesen gelte die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß §§ 195, 199 BGB, die bereits mit dem Abschluss des Mietvertrags zu laufen beginne. Mit ihren insoweit jeweils vom Landgericht Berlin in seinen Berufungsurteilen zugelassenen Revisionen wenden sich die Klägerin gegen die Abweisung ihres Auskunftsantrags im vierten Verfahren[3] und die jeweiligen Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Auskunftserteilung in den anderen drei Verfahren[5].
Der Bundesgerichtshof entschied nun, dass der Auskunftsanspruch nach § 556g Abs. 3 BGB selbständig und unabhängig von dem Anspruch des Mieters auf Rückzahlung überzahlter Miete gemäß § 556g Abs. 1 Satz 3 BGB innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) verjährt. Die Verjährungsfrist beginnt dabei nicht – wie die Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin angenommen hat – mit der Entstehung des Auskunftsanspruchs im Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses, sondern erst mit dem Auskunftsverlangen des Mieters. Der Auskunftsanspruch kann damit – anders als die Zivilkammern 65 und 67 des Landgerichts Berlin gemeint haben – vor dem Rückzahlungsanspruch verjähren.
Bei dem Auskunftsanspruch handelt es sich zwar um einen Hilfsanspruch zu dem auf Rückzahlung überzahlter Miete gerichteten Hauptanspruch des Mieters. Er unterscheidet sich aber von dem – seitens der Zivilkammern 65 und 67 als Vergleichsmaßstab herangezogenen – Auskunftsanspruch gemäß § 242 BGB (Treu und Glauben), welcher grundsätzlich nicht vor dem Hauptanspruch verjährt, dem er dient, maßgeblich dadurch, dass der Gläubiger (Mieter) nicht erst auf der Grundlage der Auskunft in die Lage versetzt wird, seinen Zahlungsanspruch zu verfolgen und durchzusetzen. Der Mieter hat in einem Rückforderungsprozess neben einer ordnungsgemäßen Rüge gemäß § 556g Abs. 2 BGB lediglich die Anwendbarkeit und die Voraussetzungen des Grundtatbestandes des § 556d Abs. 1 BGB – das Überschreiten der ortsüblichen Vergleichsmiete um mehr als 10 % bei Mietbeginn – darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Hierfür benötigt er die Auskunft des Vermieters, welche nur die nicht allgemein zugänglichen preisbildenden Faktoren, vor allem aber die vom Vermieter in einem Rückzahlungsprozess darzulegenden und gegebenenfalls zu beweisenden, eine höhere Miete erlaubenden Ausnahmetatbestände der §§ 556e, 556f BGB umfasst, in der Regel nicht.
Die für den Auskunftsanspruch geltende regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) beginnt nicht bereits mit dessen Entstehung (Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses), sondern erst mit dem Auskunftsverlangen des Mieters. Der Gesetzgeber hat diesen Anspruch als sogenannten verhaltenen Anspruch ausgestaltet, bei dem der Gläubiger (hier der Mieter) die Leistung jederzeit verlangen kann, der Schuldner (hier der Vermieter) die Leistung jedoch nicht von sich aus erbringen muss. Für diese Einordnung sprechen der Wortlaut der gesetzlichen Regelung („auf Verlangen des Mieters“) sowie der Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs, welcher darin besteht, ein durch die strukturelle Unterlegenheit auf angespannten Wohnungsmärkten bedingtes Informationsdefizit des Mieters auszugleichen, und schließlich die für verhaltene Ansprüche charakteristische und bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen von Vermieter und Mieter als unbillig empfundene Gefahr einer Anspruchsverjährung infolge des zeitlichen Auseinanderfallens von Entstehung und Geltendmachung des Anspruchs.
Bundesgerichtshof, Urteile vom 12. Juli 2023 – VIII ZR 375/21 – VIII ZR 8/22 – VIII ZR 60/22 und VIII ZR 125/22
- BGH – VIII ZR 375/21, VIII ZR 60/22, VIII ZR 125/22[↩]
- LG Berlin, Urteile vom 02.11.2021 – 65 S 64/21, WuM 1021, 739; vom 01.02.2022 – 65 S 190/21; und vom 03.05.22 – 67 S 305/21[↩]
- BGH – VIII ZR 8/22[↩][↩]
- LG Berlin, Urteil vom 07.12.2021 – 63 S 75/21[↩]
- BGH – VIII ZR 375/21, VIII ZR 60/22 und VIII ZR 125/22[↩]