Hungerstreik mit zugenähtem Mund

Die Würzburger Protestveranstaltung „Hungerstreik mit zugenähtem Mund“ ist zulässig, wie jetzt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes entschied

Gegenstand des Verfahrens waren neue Beschränkungen für die fortgesetzte Würzburger Asylrecht-Versammlung. Teilweise hält der BayVGH die neuen Anordnungen für rechtswidrig: so dürften Personen mit zugenähten Mündern als Ausdruck ihres verschärften Hungerstreiks durchaus an der Versammlung teilnehmen. Versammlungsteilnehmer, die gegen ihre asylrechtliche Residenzpflicht verstoßen, würden von der Stadt Würzburg hingegen zu Recht ausgeschlossen.

Die bereits seit März 2012 andauernde Versammlung wurde für die Zeit vom 16. Juni bis zum 16. August 2012 neu angemeldet. Die Stadt Würzburg hat für diesen Zeitraum zahlreiche Versammlungsbeschränkungen erlassen, die teilweise nun Gegenstand der gerichtlichen Verfahren beim Verwaltungsgericht Würzburg und beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof geworden sind.

In seiner Entscheidung hält der BayVGH das Teilnahmeverbot für Personen, die sich selbst verstümmeln, insbesondere sich die Münder zunähen, für rechtswidrig und bestätigt damit die Auffassung des Verwaltungsgerichts. Das Zunähen sei auch Ausdruck kollektiver Meinungskundgabe, das im Übrigen Dritte nicht unmittelbar verletze. Dadurch könnten die Teilnehmer ihr Asylanliegen auch nicht zwangsweise gegenüber dem Staat mit Erfolg durchsetzen. Eine menschenunwürdige „Schockkundgabe“ erkenne der Senat darin nicht.

Personen, die durch die Teilnahme an der Versammlung gegen ihre asylrechtliche Residenzpflicht verstoßen, können nach Auffassung des BayVGH von der Versammlung ausgeschlossen werden. Zunächst sei es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber den Aufenthalt für Asylbewerber beschränke. Wer durch den Besuch an der Versammlung gegen die Residenzpflicht verstoße, begehe eine Ordnungswidrigkeit und ggf. eine Straftat, sodass er auch von der Versammlung ausgeschlossen werden könne. Den Betroffenen sei es zuzumuten, im dafür vorgesehenen behördlichen Verfahren eine Erlaubnis zur Teilnahme an einer Versammlung zu beantragen.

Im Hinblick auf die Kundgebungsmittel wie Pavillons, Betten, Stühle und Tische hält der Bayerische Verwaltungsgerichtshof an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest. Im Ergebnis bleibt es bei der einvernehmlichen Lösung, die im vorangegangenen Verfahren in einer mündlichen Verhandlung gefunden wurde. Die Verfahrensbeteiligten hätten nichts vorgetragen, das eine Abkehr von den bisherigen Bestimmungen veranlasse. Die Untersagung eines Mannschaftszelts hält der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Übrigen für rechtmäßig.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 2. Juli 2012 – 10 CS 12.1419