Erbschaftsteuer – und das unzumutbare Familienheim

Zieht der überlebende Ehepartner aus dem geerbten Familienheim aus, weil ihm dessen weitere Nutzung aus gesundheitlichen Gründen unmöglich oder unzumutbar ist, entfällt die ihm beim Erwerb des Hauses gewährte Erbschaftsteuerbefreiung nicht rückwirkend. Dies hat der Bundesfinanzhof bereits im vergangenen Jahr zu § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG entschieden[1]. Gleiches gilt für die Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG, die erbende Kinder begünstigt[2].

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hatten die Eheleute ein Einfamilienhaus bewohnt. Nach dem Tod des Ehemanns wurde die Ehefrau aufgrund Testaments Alleineigentümerin. Nach knapp zwei Jahren veräußerte sie das Haus und zog in eine Eigentumswohnung. Die Ehefrau berief sich gegenüber dem Finanzamt erfolglos darauf, sie habe wegen einer depressiven Erkrankung, die sich nach dem Tod ihres Ehemannes gerade durch die Umgebung des ehemals gemeinsam bewohnten Hauses verschlechtert habe, dieses auf ärztlichen Rat verlassen.

Auch das Finanzgericht Münster wies ihre Klage ab, denn, so das Finanzgericht, es habe keine zwingenden Gründe für den Auszug gegeben, da der Ehefrau nicht die Führung eines Haushalts schlechthin unmöglich gewesen sei[3]. Auf die Revision der Erbin hob der Bundesfinanzhof nun das finanzgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache zurück an das Finanzgericht Münster:

Grundsätzlich setzt die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG voraus, dass der Erbe für zehn Jahre das geerbte Familienheim selbst nutzt, es sei denn, er ist aus „zwingenden Gründen“ daran gehindert. „Zwingend“, so der Bundesfinanzhof, erfasse nicht nur den Fall der Unmöglichkeit, sondern auch die Unzumutbarkeit der Selbstnutzung des Familienheims. Diese könne auch gegeben sein, wenn der Erbe durch den Verbleib im Familienheim eine erhebliche Beeinträchtigung seines Gesundheitszustands zu gewärtigen habe. Das Finanzgericht hat deshalb im zweiten Rechtsgang, ggf. mit Hilfe ärztlicher Begutachtung, die geltend gemachte Erkrankung einschließlich Schwere und Verlauf zu prüfen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 1. Dezember 2021 – II R 1/21

  1. BFH, Urteil vom 01.12.2021 – II R 1/21[]
  2. BFH Urteil vom 01.12.2021 – II R 18/20[]
  3. FG Münster, URteil vom 10.12.2020 – 3 K 420/20 Erb[]