„Das Boot“ – und die weitere Vergütung des Kameramanns für den Erfolg des Films

Der Bundesgerichtshof hatte zum dritten Mal[1] über eine weitere angemessene Beteiligung des Chefkameramanns des Filmwerks „Das Boot“ an den von der Produktionsgesellschaft, dem Westdeutschen Rundfunk und dem Videoverwerter erzielten Vorteilen aus der Verwertung des Films zu entscheiden:

Der Kläger war Chefkameramann des in den Jahren 1980/1981 hergestellten Filmwerks „Das Boot“. Der Film wurde national und international im Kino, im Fernsehen sowie auf Videokassette und DVD ausgewertet. Die beklagte Produktionsgesellschaft hat mit dem Chefkameramann für seine Leistung eine Pauschalvergütung in Höhe von 204.000 DM (104.303,54 €) gegen Einräumung sämtlicher Nutzungsrechte vereinbart. Sie hat den Film an den Westdeutsche Rundfunk (WDR), einen Videoverwerter  sowie weitere Dritte lizenziert und im Rahmen der „Bavaria Filmtour“ auf ihrem Studiogelände in München genutzt. Der WDR hat den Film in seinem Sender und im Gemeinschaftsprogramm der ARD ausgestrahlt sowie entgeltliche Sublizenzen erteilt. Der Videoverwerter hat das Werk auf Grundlage von Lizenzverträgen auf Bildträgern (DVD etc.) in Deutschland und Österreich verbreitet. 

Der Chefkameramann macht gegen die drei Beklagten – Produktionsgesellschaft, WDR und Videoverwerter –  für nach dem 28. März 2002 erfolgte Werknutzungen jeweils einen Anspruch auf weitere angemessene Beteiligung nach § 32a Abs. 1 UrhG (Produktionsgesellschaft) und § 32a Abs. 2 UrhG (WDR und Videoverwerter) geltend, weil ihre aus der Werknutzung gezogenen Erträgnisse und Vorteile in einem auffälligen Missverhältnis zu seiner Vergütung stünden. Ferner beansprucht er gegenüber der Produktionsgesellschaft Vertragsanpassung und gegenüber WDR und Videoverwerter jeweils Feststellung der Verpflichtung zur künftigen weiteren Beteiligung. Zudem verlangt er vom Videoverwerter Ersatz der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.

In einem weiteren Verfahren hat der Chefkameramann die mit dem WDR in der ARD organisierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aus § 32a Abs. 2 UrhG in Anspruch genommen[2]. Hierüber hat der Bundesgerichtshof bereits vor einem Jahr durch Zurückverweisung der Sache an das dort zuständige Oberlandesgericht München, das Oberlandesgericht Stuttgart, entschieden[3]

Der Chefkameramann hat die drei Beklagten bereits auf einer ersten Klagestufe mit Erfolg auf Erteilung von Auskünften über die jeweils erzielten Erträgnisse und Vorteile in Anspruch genommen[4].

Seine im vorliegenden Rechtsstreit auf die erteilten Auskünfte gestützte Zahlungsklage hatte vor dem erstinstanzlich damit befassten Landgericht München I teilweise Erfolg[5]. Auf die Berufung sämtlicher Parteien hat das Oberlandesgericht München das Urteil abgeändert und die Produktionsgesellschaft zur Zahlung von 162.079,27 € und zur Einwilligung in die Anpassung des streitgegenständlichen Vertrages verurteilt. Den WDR und den Videoverwerter hat es zur Zahlung in Höhe von 89.856,59 € bzw. 186.490,74 € verurteilt; zudem hat es für die Zeit ab dem 9. Oktober 2015 bzw. ab dem 1. April 2017 deren Verpflichtung zur Zahlung einer weiteren angemessenen Beteiligung festgestellt. Im Übrigen hat das Oberlandesgericht München die Klagen abgewiesen[6]

Auf die gegen das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts München gerichteten, vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revisionen hat der Bundesgerichtshof nun das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG München zurückverwiesen; mit der vom Oberlandesgericht gegebenen Begründung könne dem Chefkameramann ein Anspruch auf Zahlung einer weiteren angemessenen Beteiligung nicht zuerkannt werden:

Der Chefkameramann kann von den Beklagten nach § 32a Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 UrhG eine weitere angemessene Beteiligung beanspruchen, wenn die Vergütung, die er mit der Produktionsgesellschaft vereinbart hat, in einem auffälligen Missverhältnis zu den Vorteilen steht, die die Beklagten mit der Verwertung des Films erzielt haben. Ein auffälliges Missverhältnis liegt jedenfalls vor, wenn die vereinbarte Vergütung nur die Hälfte der angemessenen Vergütung beträgt, also der Vergütung, die mit Rücksicht auf die Höhe der erzielten Vorteile üblicher- und redlicherweise zu leisten ist.

Das Oberlandesgericht München hat seiner Prüfung, ob im Streitfall ein solches auffälliges Missverhältnis besteht, die vereinbarte Pauschalvergütung im Hinblick auf jeden Beklagten in voller Höhe zugrunde gelegt. Es hat dabei nicht berücksichtigt, dass es bei der Prüfung des auffälligen Missverhältnisses gemäß § 32a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UrhG ausschließlich auf das Verhältnis zwischen dem Urheber und dem auf weitere Beteiligung in Anspruch genommenen Nutzungsberechtigten ankommt. Gibt es nur einen Vertragspartner, kann die gesamte mit dem Urheber vereinbarte Vergütung ins Verhältnis zu den gesamten vom Nutzungsberechtigten erzielten Erträgen und Vorteilen gesetzt werden. Gibt es dagegen – wie im vorliegenden Fall – einen Vertragspartner, der mehreren Dritten unterschiedliche Nutzungsrechte eingeräumt hat, muss bei der Prüfung des auffälligen Missverhältnisses jeweils der – zu schätzende – Teil der vereinbarten Gegenleistung, der auf die von dem jeweiligen Nutzungsberechtigten verwerteten Nutzungsrechte entfällt, ins Verhältnis zu den von diesem Nutzungsberechtigten erzielten Erträgen und Vorteilen gesetzt werden.

Das Oberlandesgericht München hat ferner die von den Beklagten mit der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Leistung des Chefkameramanns erzielten Vorteile unter indizieller Heranziehung von Vergütungsregelungen in Tarifverträgen und gemeinsamen Vergütungsregeln bestimmt, die nach den Umständen des Streitfalls unmittelbar nicht anwendbar sind. Der Bundesgerichtshof hat diese Bemessung der Vorteile durch das Oberlandesgericht München gebilligt. Den Gerichten ist für die im Wege der Schätzung zu ermittelnde Höhe des Vorteils nach § 287 Abs. 2 ZPO ein weites Ermessen eingeräumt. In der Revisionsinstanz ist eine solche Schätzung nur eingeschränkt darauf überprüfbar, ob das Oberlandesgericht München bei seiner Entscheidung von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist und sämtliche für die Beurteilung bedeutsamen Tatsachen berücksichtigt hat. Danach ist die vom Oberlandesgericht München vorgenommene Schätzung des Vorteils durch indizielle Heranziehung von nach den Umständen sachgerechten Bewertungsgrundlagen aus Tarifverträgen und gemeinsamen Vergütungsregelungen grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die vom Oberlandesgericht München vorgenommene indizielle Anwendung dieser Regelungen hält der rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht in allen Einzelheiten stand (vgl. dazu bereits die Pressemitteilung Nr. 20/2020).

Wegen dieser Berechnungsfehler bei der Prüfung des vom Chefkameramann erhobenen Anspruchs ist der Annahme des Oberlandesgerichts München, es liege im Verhältnis zu jedem Beklagten ein auffälliges Missverhältnis vor, die Grundlage entzogen. Das Oberlandesgericht München wird daher im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu prüfen haben, ob der auf die Einräumung der bei den Beklagten jeweils in Rede stehenden Rechte entfallende Teil der vereinbarten Pauschalvergütung in einem auffälligen Missverhältnis zu den von den Beklagten mit der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Leistung des Chefkameramanns erzielten Vorteilen steht und der Chefkameramann von den Beklagten daher eine weitere angemessene Beteiligung beanspruchen kann.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. April 2021 – I ZR 9/18

  1. vgl. BGH, Urteil vom 22.09.2011 – I ZR 127/10 – Das Boot I; BGH. Urteil vom 20.02.2020 – I ZR 176/18, GRUR 2020, 611 – Das Boot II[]
  2. OLG Stuttgart, ZUM-RD 2019, 20[]
  3. BGH. Urteil vom 20.02.2020 – I ZR 176/18, GRUR 2020, 611 – Das Boot II[]
  4. BGH, Urteil vom 22.09.2011 – I ZR 127/10 – Das Boot I[]
  5. LG München I,Urteil vom 02.06.2016 – 7 O 1764/08, ZUM 2016, 776[]
  6. OLG München, Urteil vom 21.12.2017 – 29 U 2619/16, GRUR-RR 2018, 225[]