Nachwahlberichterstattung im rbb-Fernsehen
Vor dem Bundesverwaltungsgericht ist eine Klage des brandenburgischen Landesverbandes der Tierschutzpartei zur Nachwahlberichterstattung im rbb Fernsehen anläßlich der Brandenburgischen Landtagswahl am 1. September 2019 erfolglos geblieben.
Der Landesverband der Partei Mensch Umwelt Tierschutz – Tierschutzpartei – hatte, wie das Bundesverwaltungsgericht jetzt entschied, keinen Anspruch darauf, dass sein bei der Wahl zum Brandenburgischen Landtag im Jahre 2019 (geschätztes) Wahlergebnis in Höhe von 2,6 % in der Berichterstattung der beklagten Landesrundfunkanstalt Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) am Wahlabend im Fernsehen – statt der Zusammenfassung mit den Ergebnissen anderer Parteien unter „Andere“ – getrennt ausgewiesen wurde. Am 1. September 2019 fand die Wahl zum Brandenburgischen Landtag statt. Nach Schließung der Wahllokale präsentierte der beklagte Rundfunk Berlin-Brandenburg im rbb Fernsehen in den Sendungen „Brandenburg-Wahl: Die Entscheidung“, „Brandenburg aktuell“ und „rbb 24″ die Wahlergebnisse in Prognosen und Hochrechnungen. Dabei fasste er die (geschätzten) Stimmenanteile des Landesverbands in Balkendiagrammen sowie in der am unteren Bildrand laufenden Textzeile mit den Ergebnissen anderer Kleinparteien unter „Andere“ zusammen. Erst ab einem Stimmenanteil von mehr als 4 % wies er die Ergebnisse der Parteien im Fernsehen gesondert aus.
Die von dem Landesverband erhobene Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Art der Präsentation hatte vor dem Verwaltungsgericht Berlin keinen Erfolg[1]. Auf die Berufung des Landesverbands hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg das erstinstanzliche Urteil geändert und festgestellt, dass der rbb in der Nachwahlberichterstattung das (geschätzte) Wahlergebnis des Landesverbands bei den Präsentationen der Ergebnisse nennen musste und nicht unter die Gruppe „Andere“ fassen durfte[2]. Dies folge aus dem Grundsatz der Chancengleichheit unter anderem deshalb, weil das Wahlergebnis des Landesverbands einen „Achtungserfolg“ darstelle. Der redaktionelle Gestaltungsspielraum des rbb stehe dem nicht entgegen, da er nur im Randbereich berührt sei.
Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision des rbb das Urteil des Oberverwaltungsgerichts geändert und die Berufung des Landesverbands gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen:
Auch bei der Nachwahlberichterstattung einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt ist der Grundsatz der Chancengleichheit politischer Parteien aus Art. 21 Abs. 1 iVm Art. 3 Abs. 1 GG betroffen. Zwar ist der Wettbewerb um die Stimmen der Wähler für diese Wahl mit der Schließung der Wahllokale beendet. Jedoch vollzieht sich die politische Meinungs- und Willensbildung im bundesstaatlichen und europäischen Rahmen als kontinuierlicher Prozess. In diesem sind die Wahlergebnisse auch für den Wettbewerb um die Wählerstimmen bei künftigen Wahlen von Bedeutung.
Hierzu steht der einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt zukommende redaktionelle Spielraum bei der Programmgestaltung, der den Kern ihrer von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rundfunkfreiheit ausmacht, in einem Spannungsverhältnis. Dessen Auflösung verlangt ein redaktionelles Gesamtkonzept der Rundfunkanstalt, welches beiden betroffenen Rechten hinreichend Rechnung trägt. Der rbb hat alle Parteien gesondert präsentiert, deren (geschätzter) Stimmenanteil über 4 % lag. Hierbei hat er sich an der Erwartbarkeit des Einzugs der jeweiligen Partei in den Landtag bzw. deren bundespolitischer Bedeutung orientiert. Ergänzend hat er in seinem Internetangebot vertiefende Informationen bereitgehalten.
Dieses Konzept war für das Bundesverwaltungsgericht nicht zu beanstanden.
Der rbb hat mit ihm den Erwartungen der Zuschauer und seinem Programmauftrag Rechnung getragen. Dass dies mit Einbußen an Sichtbarkeit für kleinere Parteien verbunden war, ist mit dem Grundsatz der Chancengleichheit vereinbar, der Abstufungen nach der Bedeutung der Parteien erlaubt.
Anders als vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg angenommen, war der rbb nicht verpflichtet, konzeptionell Vorkehrungen für eine Berücksichtigung von „Achtungserfolgen“ kleinerer Parteien zu treffen.
Dem steht bereits die Unbestimmtheit dieses Begriffs entgegen. Überdies könnten sich hierauf auch alle weiteren Kleinparteien berufen. Selbst wenn unterstellt wird, dass eine gesonderte Erwähnung etwaiger „Achtungserfolge“ dem Fernsehpublikum den Eindruck vermitteln könnte, die betroffene Partei könne bei künftigen Wahlen noch besser abschneiden bzw. die Chancen für Unterstützer, Mitglieder und Spenden erhöhen sollte, rechtfertigte dies nicht den tiefgreifenden Eingriff in die Programmautonomie, der mit einer Vorgabe verbunden wäre. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat das Gewicht dieses Eingriffs verkannt.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. Februar 2025 – 6 C 5.23
- VG Berlin, Urteil vom 30.08.2021 – 2 K 74/20[↩]
- OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.05.2023 – OVG 3 B 43/21[↩]




