Krankentagegeldversicherung – und das verringerte Einkommen

Eine Ersetzung der durch den Bundesgerichtshof im Jahr 2016 für unwirksam erklärten Regelung in § 4 Abs. 4 MB/KT 2009 durch den Krankentagegeldversicherer auf der Grundlage von § 164 Abs. 1 Satz 1 VVG kommt nicht in Betracht, weil die Notwendigkeit der Klauselersetzung im Sinne der vorgenannten Regelung nicht gegeben ist. Für den Krankentagegeldversicherer stellt es keine unzumutbare Härte dar, an einem infolge der Unwirksamkeit der Klausel lückenhaft gewordenen Vertrag festgehalten zu werden. 

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall unterhält der Versicherungsnehmer bei dem beklagten Versicherer eine Krankentagegeldversicherung. Dem Vertrag lagen Allgemeine Versicherungsbedingungen zugrunde, welche in § 4 Abs. 4 eine Bestimmung enthielten, die § 4 Abs. 4 der damaligen Musterbedingungen des Verbandes der Privaten Krankenversicherung entsprach und welche die Versicherungsgesellschaft bei gesunkenem Nettoeinkommen des Versicherungsnehmers zur Herabsetzung des Krankentagegeldsatzes berechtigte. Eine solche Klausel hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 06.07.2016[1] wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB für unwirksam erklärt.2018 übersandte die Versicherungsgesellschaft dem Versicherungsnehmer geänderte Allgemeine Versicherungsbedingungen, in denen die Möglichkeit der Herabsetzung des Tagessatzes bei gesunkenem Nettoeinkommen des Versicherungsnehmers neu geregelt wurde. Der Versicherungsnehmer hält die Neuregelung für unwirksam. Er begehrt mit seiner Klage die Feststellung, dass seine Krankentagegeldversicherung mit dem ursprünglich vereinbarten Tagessatz fortbesteht und die Versicherungsgesellschaft nicht berechtigt ist, das Krankentagegeld einseitig herabzusetzen. Ferner verlangt er von der Versicherungsgesellschaft die Zahlung eines sich aus der Herabsetzung ergebenden Differenzbetrages sowie die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Köln hat der Klage bis auf einen Teil der geltend gemachten Nebenforderungen stattgegeben[2]. Das Oberlandesgericht Köln hat auf die Berufung der Versicherungsgesellschaft das landgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen[3]. Auf die Revision des Versicherungsnehmers hat der Bundesgerichtshof dieses Berufungsurteil aufgehoben und das zusprechende Urteil des Landgerichts Köln wiederhergestellt:

Die Ersetzung einer durch höchstrichterliche Entscheidung oder durch einen bestandskräftigen Verwaltungsakt für unwirksam erklärten Regelung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen kann nur dann im Sinne des § 164 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VVG zur Fortführung des Vertrages notwendig sein, wenn infolge der Unwirksamkeit der Klausel mindestens die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung gegeben sind. Eine solche ergänzende Vertragsauslegung in vorformulierten Versicherungsverträgen setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls voraus, dass keine dispositiven Gesetzesbestimmungen zur Füllung der entstandenen Lücke zur Verfügung stehen und es dem Versicherer gemäß § 306 Abs. 3 BGB ohne ergänzende Vertragsauslegung unzumutbar ist, an dem lückenhaften Vertrag festgehalten zu werden.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zwar kann es in den Fällen eines dauerhaften Absinkens des Nettoeinkommens unter den versicherten Tagessatz zu einer Erhöhung des (subjektiven) Risikos für den Versicherer kommen. Dies aber stellt für den Krankentagegeldversicherer keine unzumutbare Härte im Sinne von § 306 Abs. 3 BGB dar.

Dies folgt insbesondere aus der Ausgestaltung der Krankentagegeldversicherung als Summenversicherung, weil einer so ausgestalteten Versicherung immanent ist, dass die Versicherungsleistung von dem versicherten Risiko abweichen und deshalb höher, aber auch niedriger als der tatsächliche Durchschnittsverdienst des Versicherungsnehmers ausfallen kann. Zu berücksichtigen ist bei der Abwägung ferner, dass die Vertragsparteien die Inkongruenz zwischen Nettoeinkommen und Versicherungsleistung teilweise selbst als zumutbar bewerten, nämlich für den umgekehrten Fall, in dem bei gestiegenem Nettoeinkommen des Versicherungsnehmers die Versicherungsleistung das zu versichernde Risiko unterschreitet. Sollte sich der Wegfall der Herabsetzungsmöglichkeit auf die Prämienkalkulation auswirken, steht es dem Versicherer bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zudem frei, auf der Grundlage vertraglicher oder gesetzlicher Regelungen die Prämien neu festzusetzen. Der Umstand, dass dem Versicherer die Möglichkeit genommen ist, den Krankentagegeldsatz herabzusetzen, hindert ihn schließlich nicht daran, unter Umständen unberechtigte Leistungsansprüche zurückzuweisen und von dem Versicherungsnehmer die Erfüllung nach wie vor im Bedingungswerk vorgesehener Nachweispflichten für das Vorliegen des Versicherungsfalls zu fordern.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. März 2025 – IV ZR 32/24

  1. BGH, Urteil vom 06.07.2016 – IV ZR 44/15, BGHZ 211, 51[]
  2. LG Köln, Urteil vo 11.01.2023 – 23 O 168/21[]
  3. OLG Köln, Urteil vom 27.02.2024 – 9 U 40/23[]