Die vorausgezahlten Hotelkosten – und das Beherbergungsverbot im Rahmen der Corona-Pandemie

Der Bundesgerichtshof hatte aktuell über die Frage zu entscheiden, ob ein Hotelgast die Rückzahlung des von ihm vorausgezahlten Beherbergungsentgelts verlangen kann, wenn nach der Buchung ein behördliches Verbot der Beherbergung zu touristischen Zwecken zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erlassen wird, das den gebuchten Zeitraum umfasst.

Die klagende Kundin buchte im Oktober 2019 zum Zweck einer touristischen Reise für sich und vier Mitreisende drei Doppelzimmer in einem Hotel der Hotelbetreiberin in Lüneburg für den Zeitraum vom 14. Mai bis zum 16. Mai 2020. Hierbei wählte sie einen nicht stornierbaren Tarif. Das Beherbergungsentgelt zahlte sie im Voraus. Mit E-Mail vom 7. Mai 2020 erklärte die Kundin gegenüber der Hotelbetreiberin, sie „storniere“ die Buchung und bitte um Rückzahlung. Sie bezog sich dabei auf einen Beschluss der Niedersächsischen Landesregierung, wonach die Einschränkungen für das touristische Reisen bis zum 25. Mai 2020 gälten. Die Hotelbetreiberin lehnte eine Rückzahlung ebenso wie eine von der Kundin zuvor unter Hinweis auf die Reisebeschränkungen angefragte Verschiebung der Buchung um ein Jahr ab und bot der Kundin lediglich eine Umbuchung auf die Zeit nach Aufhebung der Beschränkungen, jedoch nicht später als bis zum 30. Dezember 2020 an.

Die auf Rückzahlung des Beherbergungsentgelts gerichtete Klage hat vor dem erstinstanzlich hiermit befassten Amtsgericht Charlottenburg weitgehend Erfolg gehabt[1]. Das Landgericht Berlin hat die hiergegen gerichtete Berufung der Hotelbetreiberin zurückgewiesen[2]. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Hotelbetreiberin ihr Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt, blieb nun aber auch vor dem Bundesgerichtshof ohne Erfolg.

Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Kundin einen Anspruch gegen die Hotelbetreiberin gemäß § 346 Abs. 1 BGB auf Rückzahlung des Beherbergungsentgelts hat. Denn die Kundin ist mit der E-Mail vom 7. Mai 2020 wirksam gemäß § 326 Abs. 5, § 323 Abs. 4 BGB von dem Beherbergungsvertrag zurückgetreten.

Der Hotelbetreiberin war es durch das in § 1 Abs. 4 Satz 1 der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus (in der Fassung von Art. 1 der Niedersächsischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 8. Mai 2020) enthaltene generelle Verbot einer Beherbergung von Gästen zu touristischen Zwecken im Buchungszeitraum vom 14. Mai bis zum 16. Mai 2020 untersagt, die Hotelzimmer an die Kundin und ihre Mitreisenden zu überlassen.

Der Hotelbetreiberin war damit – wie der Bundesgerichtshof entschieden hat – die geschuldete Leistung rechtlich unmöglich geworden im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB. Unter den hier gegebenen Umständen ist das in Rede stehende – bis zum 25. Mai 2020 befristete – Beherbergungsverbot einem – zur rechtlichen Unmöglichkeit führenden – dauernden Leistungshindernis gleichzuachten. Denn das Beherbergungsverbot stellte die Erreichung des Vertragszwecks in Frage, weil die Kundin mit der Buchung für einen kalendermäßig konkret bestimmten Zeitraum gegenüber der Hotelbetreiberin zum Ausdruck gebracht hatte, dass sich ihr Interesse an der Nutzung der Hotelzimmer – wegen des von ihr und den Mitreisenden mit der Buchung verfolgten Zwecks einer gemeinsamen touristischen Reise – auf diese Leistungszeit bezieht. Ein weiteres Abwarten konnte der Kundin bei billiger Abwägung der Belange beider Vertragsparteien nicht zugemutet werden. Für die Kundin war es wegen des wechselhaften Infektionsgeschehens im Rahmen der COVID-19-Pandemie und wegen der bisherigen Entwicklung der staatlichen Maßnahmen zu deren Bekämpfung nicht absehbar, ob das für den Buchungszeitraum verlängerte Verbot – wie in einem Stufenplan der Niedersächsischen Landesregierung vorgesehen – tatsächlich Ende Mai 2020 entfallen würde und unter welchen Bedingungen gegebenenfalls im Anschluss daran touristische Reisen einschließlich Übernachtungen in Hotels wieder erlaubt sein würden.

Die Kundin konnte – wie der Bundesgerichtshof weiter entschieden hat – bereits am 7. Mai 2020 wirksam zurücktreten, obwohl die Verlängerung des Beherbergungsverbots für den Buchungszeitraum erst durch die Verordnung vom 8. Mai 2020 und mit Wirkung ab dem 11. Mai 2020 erfolgte. Gemäß § 323 Abs. 4 BGB kann ein Gläubiger bereits vor Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts – insbesondere aufgrund eines unbehebbaren Leistungshindernisses – eintreten werden. Im Hinblick auf die bis dahin erfolgte Entwicklung der pandemiebedingten Beschränkungen des öffentlichen Lebens im Frühjahr 2020 und die in dem vorgenannten Stufenplan der Niedersächsischen Landesregierung erst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehenen Öffnungsschritte betreffend touristische Hotelübernachtungen konnte die Kundin im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der Hotelbetreiberin eine Überlassung der Hotelzimmer im Buchungszeitraum noch nicht wieder erlaubt sein würde.

Das Rücktrittsrecht der Kundin war auch nicht gemäß § 326 Abs. 5, § 323 Abs. 6 BGB ausgeschlossen. Insbesondere handelt es sich bei dem in Rede stehenden generellen Beherbergungsverbot nicht um einen in der Person des Gastes liegenden Umstand im Sinne des § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB, der die Pflicht zur Zahlung des Beherbergungsentgelts unberührt ließe. Denn das Verbot war nach epidemiologischen Gesichtspunkten ausgewählt. Es knüpfte dabei weder an die Person oder spezifische Eigenschaften des einzelnen Gastes noch an solche des Mietobjekts an. Die Unmöglichkeit der Überlassung der Hotelzimmer war vielmehr Folge umfangreicher staatlicher Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, mit der sich ein die Gesellschaft als Ganzes treffendes allgemeines Lebensrisiko verwirklicht hat. Ein solches ist von der mietvertraglichen Risikoverteilung nach § 537 BGB jedoch nicht erfasst.

Schließlich konnte die Hotelbetreiberin dem Rückabwicklungsbegehren der Kundin nicht unter Berufung auf die Bestimmung zur Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) entgegenhalten, der Vertrag sei dahingehend anzupassen, dass der Beherbergungszeitraum verschoben werde. Das Gesetz regelt in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung (hier § 326 Abs. 5, § 323 Abs. 4 BGB) abschließend die Folgen der vorliegend in Rede stehenden Vertragsstörung. Daneben ist für eine Anwendung der Regelung über die Störung der Geschäftsgrundlage kein Raum.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. März 2024 – VIII ZR 363/21

  1. AG Charlottenburg, Urteil vom 05.11.2020 – 205 C 149/20[]
  2. LG Berlin, Urteiol vom 15.10.2021 – 28 S 23/20[]