Die Tierarznei und ihr Nachahmungspräparat

Vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht blieb jetzt die Konkurrentenklage eines Tierarzneimittelherstellers gegen den Hersteller eines Nachahmungspräparats ohne Erfolg. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat die Klage gegen die Zulassung eines Generikums – also eines Arzneimittels, das mit einem von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Originalpräparat wirkstoffgleich ist – wie zuvor bereits das Verwaltungsgericht Braunschweig[1] – abgewiesen.

Das Originalpräparat der Klägerin und das Generikum der Beigeladenen enthalten den Wirkstoff Enrofloxacin, bei dem es sich um ein Antibiotikum handelt, das u. a. für die Behandlung von Infektionskrankheiten in der Hähnchen- und Putenmast vorgesehen ist. Die Klage richtete sich gegen die deutsche Zulassung des zuvor bereits im Vereinigten Königreich zugelassenen Generikums. Die Klägerin hat für das Originalpräparat seit 1990 eine Zulassung in Deutschland. Die Beigeladene besaß ab 1996 Zulassungen für ein wirkstoffgleiches Präparat in Tschechien, Ungarn und Polen. Im Jahr 2005 erteilte die britische Arzneimittelzulassungsbehörde einer Rechtsvorgängerin der Beigeladenen ebenfalls eine Zulassung. Im Jahr 2006 beantragte die Beigeladene im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nach der Tierarzneimittelrichtlinie 2001/82/EG eine Zulassung des Generikums auch in Deutschland. Sinn des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung ist eine erleichterte Zulassung eines bereits in einem EU-Mitgliedsstaat – dem „Referenzmitgliedsstaat“ zugelassenen Tierarzneimittels auch in anderen Mitgliedstaaten, was dem unionsrechtlichen Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit Rechnung tragen soll. Grundsätzlich besteht eine Verpflichtung zur Anerkennung; nur bei potenziellen schwerwiegenden Gefahren für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt darf die Anerkennung zurückgehalten und ein länderübergreifendes Koordinierungsverfahren eingeleitet werden. Der Prüfung, ob solche Gefahren erkennbar sind, dient ein vom Referenzmitgliedstaat zu erstellender Beurteilungsbericht. Den hier von der britischen Zulassungsbehörde übermittelten Beurteilungsbericht hatte die Beklagte hinsichtlich der Beurteilung der Umweltauswirkungen nicht für ausreichend erachtet, weil dort im wesentlichen nur darauf verwiesen wurde, dass in Deutschland das Originalpräparat schon lange Zeit Verwendung finde. Die britische Zulassungsbehörde ergänzte daraufhin den Beurteilungsbericht mit einem Bericht, der anlässlich einer früheren Verlängerung der Zulassung für das Originalpräparat der Klägerin im Vereinigten Königreich erstellt worden war und der wiederum auf von der Klägerin dort vorgelegten Daten über mögliche Umweltrisiken („Ökotox-Daten“) basierte. Daraufhin wurde die von der Beigeladenen beantragte Zulassung des Generikums in Deutschland erteilt. Mit ihrer dagegen gerichteten Klage hat die Klägerin u. a. geltend gemacht, es sei zu Unrecht auf die von ihr im Vereinigten Königreich anlässlich der dortigen Verlängerung der Zulassung ihres Originalpräparats vorgelegten Ökotox-Daten zugegriffen worden. Die Beigeladene bzw. deren Rechtsvorgängerin hätte vielmehr sowohl bei der Zulassung des Generikums im Vereinigten Königreich als auch im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung eigene Ökotox-Daten vorlegen müssen.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht entschied, dass die Klägerin hinsichtlich der von ihr gerügten fehlerhaften Verwendung der Ökotox-Daten jedenfalls nicht in einer subjektiven Rechtsposition verletzt ist. Die subjektive Rechtsposition eines Herstellers von Originalpräparaten in Bezug auf diese Daten geht nach Auffassung des Senats nicht weiter als diejenige, die ihm hinsichtlich der übrigen Unterlagen zusteht, die anlässlich eines Zulassungsverfahrens vorzulegen sind (z. B. die Ergebnisse von klinischen und vorklinischen Untersuchungen). Dieser arzneimittelrechtliche Unterlagenschutz endet indessen nach exklusiver Vermarktung des Originalpräparats über einen Zeitraum von zehn Jahren, der hier bereits verstrichen war. Eine objektiv-rechtliche Verpflichtung des Herstellers des Generikums, im Zulassungsverfahren und im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung aktuelle eigene Ökotox-Daten vorzulegen, vermittelt dem Hersteller des Originalpräparats nach Ablauf der zehnjährigen Schutzfrist deshalb auch unter Berücksichtigung einer effektiven Durchsetzung des Unionsrechts keine subjektive Rechtsposition mehr.

Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 7. Juni 2012 – 13 LB 56/12

  1. VG Braunschweig, Urteil vom 10.12.2008 – 5 A 127/07[]