Die Klage des geflüchteten Strafgefangenen

Auch ein flüchtiger Strafgefangener muss für eine eigene gerichtliche Klage eine ladungsfähige Anschrift angeben.

Die zulässige Erhebung einer Klage oder eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erfordert die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift, u.a. da sie die Vollstreckung etwaiger sich aus dem Verfahren ergebender Kostenforderungen ermöglicht. Flüchtet ein Strafgefangener aus der JVA, stellt die JVA keine ladungsfähige Anschrift mehr für ihn dar.

Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Beschwerde eines flüchtigen Strafgefangenen zurückgewiesen, mit der er seinen vom Landgericht als unzulässig abgewiesenen Unterlassungsantrag gegen ein Presseunternehmen weiterverfolgte.

Der Antragsteller ist Strafgefangener und im Rahmen des offenen Vollzugs Ende letzten Jahres aus dem Freigang nicht wieder in die JVA zurückgekehrt. Er ist seitdem flüchtig. Das Presseunternehmen hat in zwei Artikeln im Januar 2024 unter den Überschriften „(…)-Knacki aus JVA (…) abgehauen!“ und „Beim Freigang aus JVA abgehauen Gefängnis wusste, dass (…)-Knacki fliehen wollte … aber niemand reagierte!“ hierüber berichtet und dabei Bildnisse des flüchtigen Gefangenen verbreitet.

Dieser verlangt nunmehr im einstweiligen Verfügungsverfahren die Unterlassung der Veröffentlichung seines Bildnisses und die Unterlassung von Äußerungen, nach denen er Drogengeschäfte aus dem Knast heraus bzw. bei seinen Freigängen abgewickelt habe. Das Landgericht Frankfurt am Main hat den durch einen Rechtsanwalt gestellten Antrag als unzulässig zurückgewiesen, weil die von dem Antragsteller allein angegebene Adresse der JVA keine Gewähr für eine ernsthafte Möglichkeit einer ordnungsgemäßen Zustellung biete[1]. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem Oberlandesgericht keinen Erfolg:

Die ladungsfähige Anschrift sei zwingende Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Klageerhebung, bestätigte das OLG Frankfurt. Sie dokumentiere u.a. die Ernsthaftigkeit des Begehrens sowie die Bereitschaft, sich etwaiger mit dem Betreiben des Prozesses verbundener nachteiliger Folgen zu stellen. Ein Prozess könne nicht „aus dem Verborgenen“ heraus geführt werden. Die in der Antragsschrift genannte Adresse der JVA sei nicht seine ladungsfähige Anschrift, da der im offenen Vollzug befindliche Antragsteller trotz offener Reststrafe Ende letzten Jahres nicht wieder in die JVA zurückgekehrt sei. Mit seiner Flucht habe er nach außen bekundet, seinen Aufenthalt in der JVA dauerhaft aufzugeben.

Es lägen auch keine Gründe für ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse vor, um ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift zu verzichten. Zwar könne in bestimmten Konstellationen ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse an der Anschrift bei der konkreten Gefahr einer Verhaftung bejaht werden (vgl. dazu BFH, Urteil vom 19.10.2000 – IV R 25/00). So liege es hier indes nicht: Dem Interesse der Kenntnis von der ladungsfähigen Anschrift komme wegen der Vollstreckung einer möglichen Kostenforderung hier nicht nur untergeordnete Bedeutung zu.  Dies gelte in besonderer Weise, da im Eilverfahren kein Kostenvorschuss erhoben werde. Zudem sei der flüchtige Gefangene hier bereits rechtskräftig verurteilt.

Wenn er ein kostenpflichtiges Eilverfahren anstrengen möchte, sei es ihm deshalb möglich und zumutbar, eine inländische ladungsfähige Anschrift anzugeben oder wieder in die JVA zurückzukehren. Jedenfalls könne verlangt werden, dass sich sein Verfahrensbevollmächtigte für etwaige Kosten verbürge. Ansonsten könnte der flüchtige Gefangene ein Eilverfahren ohne jegliches finanzielle Risiko führen und dieses zur Gänze dem verfügungsbeklagten Presseunternehmen auferlegen. Das sei nicht hinzunehmen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 7. März 2024 – 16 W 5/24

  1. LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 09.02.2024 – 2-03 O 73/24[]