Die Haftung des Linksabbiegers – bei Kollision mit Gegenverkehr

Bei einem Unfall zwischen einem links abbiegenden Fahrzeug mit dem Gegenverkehr wird vermutet, dass sich der Abbieger verkehrswidrig verhalten hat. Dieser grundsätzliche Anschein der Unfallversuchung durch das abbiegende Fahrzeug kann nur durch konkrete und im Streitfall zu beweisende Tatsachen widerlegt werden.

In dem hier vom Amtsgericht Hanau entschiedenen Fall fuhr das Fahrzeug der Klägerin bei einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h in einen Kreuzungsbereich ein und beabsichtigte, weiter geradeaus zu fahren. Der Beklagte befuhr die Straße in der entgegengesetzten Richtung und beabsichtigte, in der Kreuzung nach links abzubiegen. Während des Abbiegevorgangs kam es zur Kollision der Fahrzeuge. Die Halterin des entgegenkommenden Fahrzeugs verlangte den vollständigen Ersatz ihrer Fahrzeugschäden, da ihr Wagen langsam in die Kreuzung eingefahren sei, den Unfall aber nicht habe verhindern können. Der Linksabbieger meint, das entgegenkommende Fahrzeug sei zu schnell gefahren, sodass ihn keine Haftung treffe.

Das Amtsgericht befand, dass der Unfall allein durch das abbiegende Fahrzeug verursacht wurde. Hierfür spreche bereits die Vermutung eines Verstoßes gegen die Vorfahrtsgewährungspflicht beim Abbiegen gem. § 9 Abs. 3 S. 1 StVO. Denn der Unfall ist während des Abbiegevorgangs passiert.

Dies könne der Linksabbieger nur durch den Beweis solcher Umstände widerlegen, aus denen sich ein unfallursächliches Fehlverhalten des klägerischen Fahrzeugs ergibt. Die Beweisaufnahme habe derartiges jedoch nicht bestätigt.

Zwar zeige das Sachverständigengutachten, dass das entgegenkommende Fahrzeug angesichts der örtlichen Gegebenheiten mit ca. 30 bis 40 km/h zu schnell in die Kreuzung einfuhr, hieraus sei jedoch nicht zu schließen, dass eben diese Geschwindigkeitsüberschreitung auch die Kollision mit dem abbiegenden Fahrzeug verursacht habe. 

Dennoch hafte das Unfallopfer jedenfalls zu 20% aufgrund der allgemeinen Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs.

Amtsgericht Hanau, Urteil vom 19. Juni 2024 – 39 C 81/22