Der gefälschte Impfpass

Der Tatbestand der Urkundenfälschung nach § 267 StGB wird bei der Vorlage eines ge-fälschten Impfpasses in einer Apotheke zwecks Erlangung eines COVID-19-impfzertifikats nicht durch die Vorschriften der §§ 277 bis 279 StGB in der bis zum 23.11.2021 geltenden Fassung verdrängt[1]. Bei § 75a Abs. 2 Nr. 1 IfSG in der Fassung vom 28.05.2021 handelt es sich um ein All-gemeindelikt, wonach sich derjenige strafbar machen kann, der in der Apotheke einen Impfausweis vorlegt, in welchem die Impfung durch einen Arzt unrichtig eingetragen worden ist.

Einen gefälschten Impfpass in einer Apotheke vorzeigen, um ein Impfzertifikat zu erhalten – ob dies auch vor Ende des Jahres 2021 strafbar war, wird zum Teil unterschiedlich beurteilt. Der Straftatbestand des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse (§ 279 StGB) setzte damals voraus, dass ein solches Zeugnis zur Täuschung einer Behörde oder einer Versicherung eingesetzt wurde – die Vorlage in Apotheken war hiervon nicht erfasst. Einige Gerichte sprachen Angeklagte frei, weil nach ihrer Auffassung der Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse abschließend in dieser Strafnorm geregelt sei und eine Strafbarkeit nach dem allgemeineren Tatbestand der Urkundenfälschung (§ 276 StGB) deshalb ausscheide.

Entsprechend hatte auch das Amtsgericht Stade einen Angeklagten freigesprochen. Dieses Urteil hat das Oberlandesgericht Celle aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Stade zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht schloss sich damit einer bereits u.a. von den Oberlandesgerichten Hamburg und Stuttgart vertretenen Auffassung an: Der Tatbestand des § 279 StGB solle den Täter im Vergleich zur Urkundenfälschung nicht begünstigen und sperre deshalb eine Verurteilung wegen Urkundenfälschung nicht. Wer einen gefälschten Impfpass in einer Apotheke vorgelegt hat, habe sich deshalb nach der damaligen Rechtslage wegen Urkundenfälschung strafbar gemacht. Im vorliegenden Fall muss daher nunmehr das Amtsgericht Stade näher feststellen, ob der vorgelegte Impfpass tatsächlich gefälscht war.

Diese Rechtsfrage der Strafbarkeit der Vorlage eines gefälschten Impfpasses stellt sich im Übrigen nur bei Taten vor dem 24.11.2021. Mit Wirkung ab diesem Tag hat der Gesetzgeber den Tatbestand des § 279 StGB erweitert; der Gebrauch gefälschter Impfpässe ist heute nach dieser Vorschrift strafbar.

Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 31. Mai 2022 – 1 Ss 6/22

  1. Anschluss an Hanseatisches Oberlan-desgericht Hamburg, Beschluss vom 27.01.2022 – 1 Ws 114/21; OLG Stutt-gart, Beschluss vom 08.03.2022 – 1 Ws 33/22; Schleswig-Holsteinisches Ober-landesgericht, Beschluss vom 31.03.2022 – 1 Ws 19/22; entgegen OLG Bam-berg, Beschluss vom 17.01.2022 – 1 Ws 732/21[]