Die Weitergabe geheimer NATO-Daten
Zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren ist ein NATO-Zivilangestellter verurteilt worden, der sich geheimhaltungsbedürftige Daten zur Weitergabe an einen fremden Geheimdienst verschafft hat.
Vom Oberlandersgericht Koblenz ist der Angeklagte Manfred K. in einem Strafschutzverfahren wegen vollendeter und versuchter landesverräterischer Ausspähung (§ 96 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt worden.
Der verheiratete Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger, geboren und zuletzt wohnhaft im Donnersbergkreis (Pfalz). Seit 1979 bis zu seiner Pensionierung am 31.7.2012 war er Zivilangestellter der NATO, zuletzt im NATO-Hauptquartier Ramstein. Der studierte Wirtschaftsinformatiker war hier insbesondere mit der Beschaffung von Computern und Softwareprogrammen befasst.
Im Hauptquartier werden zur Datenverarbeitung zwei Netzwerke genutzt, ein geschlossenes und in besonderem Umfang gesichertes System ohne Verbindung zum Internet für ausgewählte NATO-Bedienstete (NATO SECRET) sowie ein offenes, mit dem Internet verbundenes Netzwerk für alle Bediensteten. Eine elektronische Verbindung zwischen den Systemen existiert nicht. Daten aus dem gesicherten System können nur nach interner Prüfung der Geheimhaltungsbedürftigkeit durch besonderes Personal („Service-Desk“) übertragen werden. Der Angeklagte verfügte über eine Zugangsberechtigung zum geschlossenen System.
Im März 2012 ließ er durch das Service-Desk – das die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Dateien verkannte – insgesamt elf Dateien aus dem NATO SECRET-Netz in das offene Netzwerk übertragen. Hierbei handelt es sich um für einen kleinen Kreis von Technikern und Administratoren bestimmte Dateien mit den Konfigurations- und Zugangsdaten für die Server wichtiger militärischer Informations- und Kommunikationssysteme. Der Angeklagte wusste, dass die Dateien geheimhaltungsbedürftig waren, obwohl sie keine entsprechende Einstufung aufwiesen. Die Weitergabe der Dateien würde es einem potentiellen Gegner der NATO ermöglichen, sich Zugang zum geheimen NS-Netzwerk der NATO zu verschaffen und die zentralen Informations- und Kommunikationssysteme zu stören oder in seinem Sinne zu beeinflussen. Der Angeklagte verschickte die Dateien in der Folge über seinen privaten E-Mail-Account und speicherte sie u.a. auf USB-Sticks, die er in seinem Haus versteckte.
Nach Überzeugung des Oberlandesgerichts tat er dies, um sie zu einem späteren Zeitpunkt an einen Geheimdienst eines nicht mit der NATO verbündeten Staates zu verkaufen. Anhaltspunkte für die Umsetzung dieses Vorhabens haben sich im Verlauf des Verfahrens aber nicht ergeben. Der Einlassung des Angeklagten, er habe mit seinen Handlungen lediglich auf Sicherheitsmängel hinweisen wollen, ist das Oberlandesgericht nicht gefolgt.
Ein weiterer Versuch des Angeklagten im Juni 2012, eine Datei mit aktualisierten Informationen aus dem NATO SECRET-Netz übertragen zu lassen, scheiterte. In diesem Fall verweigerte die Mitarbeiterin des Service-Desk den Transfer und informierte die NATO-Sicherheitsbehörden.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz hat der Angeklagte sich als NATO-Zivilangestellter des NATO-Hauptquartiers Ramstein in einem Fall geheimhaltungsbedürftige Daten seines Arbeitgebers zur Weitergabe an einen fremden Geheimdienst verschafft und dies in einem weiteren Fall erfolglos versucht hat.
Für die Höhe des Strafmaßes ist der hohe Grad der Gefährdung von besonderer Bedeutung, der mit einer beabsichtigten Weitergabe der Daten für die Funktionsfähigkeit des NATO-Bündnisses und die Sicherheit der Mitgliedstaaten verbunden gewesen wäre. Die Taten des Angeklagten hatten eine zwischenzeitlich abgeschlossene, aufwändige Neukonfiguration der betroffenen NATO-Server zur Folge.
Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 23. November 2013 – 3 StE 1/13-2




