11 Zähne ohne Einwilligung = 1 Jahr 3 Monate für den Zahnartz – oder auch nicht.
Das Landgericht Stendal hat das Strafverfahren gegen einen Zahnarzt aus Havelberg eingestellt[1]. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, am 14.04.2010 einer Patientin ohne wirksame Einwilligung unter Allgemeinnarkose 11 Zähne im Ober- und Unterkiefer gezogen zu haben, wobei hierzu für jedenfalls 5 Zähne keine Indikation bestanden haben soll. Ferner soll er bei derselben Patientin im September 2010 eine medizinisch erforderliche Behandlung pflichtwidrig unterlassen haben, obwohl es greifbare Anhaltspunkte für einen positiven Nasenblaseffekt mit Mund-Kieferhöhlen-Verbindung gegeben habe.
Das Amtsgericht Stendal hatte den Zahnarzt zunächst wegen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten ohne Bewährung verurteilt und ein Berufsverbot von zwei Jahren ausgesprochen[2]. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten milderte das Landgericht Stendal lediglich die Strafe auf ein Jahr und zwei Monate ab[3]. Die dagegen gerichtete Revision des Zahnarztes zum Oberlandesgerichts Naumburg hatte Erfolg, das OLG hob das Urteil der Berufungskammer auf und verwies das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Landgericht des Landgerichts zurück[4]. Auf Antrag der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft stellte daraufhin das Landgericht Stendal das Verfahren zunächst gegen Zahlung von 3.500 € an die Geschädigte vorläufig ein. Nach Zahlungseingang erfolgte nun die endgültige Einstellung.
Das Landgericht begründete die Einstellung unter Berücksichtigung der Ausführungen des Oberlandesgerichts Naumburg damit, dass eine Körperverletzung im Hinblick auf die Zahnextraktion voraussichtlich ausscheide. Die Patientin sei jedenfalls schriftlich über die Risiken des Eingriffs ausreichend aufgeklärt worden. Es stehe lediglich die Frage im Raum, ob der Angeklagte bestehende Gefahren mündlich verharmlost habe. Dies könne nur durch Vernehmung der Patientin geklärt werden. Deren Glaubwürdigkeit sei allerdings zweifelhaft, weil ihre bisherigen Aussagen wechselhaft gewesen seien.
Bei einer Wiederholung des Berufungsverfahrens hätte daher die unterlassene Behandlung der Mund-Kieferhöhlen-Verbindung im Fokus gestanden, die aber für sich genommen lediglich eine Geldstrafe rechtfertige.
Durch die Einstellung werde zudem gewährleistet, dass die Patientin eine Zahlung erhalte. Sie hatte zwar in einem Zivilverfahren ein Urteil über Schmerzensgeld erstritten, es aber wegen einer Insolvenz des Angeklagten nicht durchsetzen können.
Landgericht Stendal, Beschluss vom 21. März 2014 – 511 Ns 8/13
- Az. 511 Ns 8/13[↩]
- AG Stendal, Urteil vom 05.11.2012 – 21 Ls 117 Js 18502/10[↩]
- LG Stendal, Urteil vom 22.05.2013 – 510 Ns 137/12[↩]
- OLG Naumburg, Beschluss vom 30.10.2013[↩]




