Verfassungsschutz – und die AfD als verfassungsfeindlicher Verdachtsfall
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) darf die Alternative für Deutschland (AfD) als so genannten Verdachtsfall einstufen. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln heute nach knapp zehnstündiger mündlicher Verhandlung entschieden und damit eine Klage der AfD gegen die Bundesrepublik Deutschland abgewiesen; es gebe ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei.
Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus auch drei weitere Klagen der AfD gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz entschieden, in denen es um die Einstufung von Parteigliederungen, des sogenannten „Flügels“ sowie der Jungen Alternative (JA), sowie um eine Presseveröffentlichung des BfV über die Mitgliederzahl des „Flügels“ ging:
Einstufung der AfD als Verdachtsfall[1]
In dem ersten der vier jetzt vom Verwaltungsgericht Köln entschiedenen Verfahren wandte sich die AfD dagegen, vom BfV als Verdachtsfall eingestuft zu werden. Ferner wollte sie verhindern, dass das BfV eine solche Einstufung öffentlich mitteilt. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, eine solche Einstufung komme in ihrer Wirkung einem Parteiverbot gleich, weshalb auch die für ein solches Verbot geltenden Maßstäbe anzulegen seien. Auch fehle es an tatsächlichen Anhaltspunkten für verfassungsfeindliche Bestrebungen der Partei. Der so genannte Flügel habe sich bereits 2020 aufgelöst. Die Partei propagiere keinen ethnischen Volksbegriff. Im Übrigen fehle es an Erklärungen, die Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der Partei lieferten. Gegebenenfalls auch polemische Kritik einer Oppositionspartei gegenüber den übrigen Parteien oder der Bundesregierung sei nicht sogleich Kritik am parlamentarischen Regierungssystem. Zudem habe sich das BfV von sachfremden Erwägungen leiten lassen und handele politisch.
Dem ist das Verwaltungsgericht im Ergebnis nicht gefolgt und hat die Klage der AfD gegen ihre Einstufung durch das BfV als Verdachtsfall abgewiesen; es lägen ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD vor. Dies habe das BfV in Gutachten und den dazugehörigen Materialsammlungen unter Kontextualisierung der als relevant erachteten Aussagen belegt. Dem habe die AfD lediglich pauschales Bestreiten entgegengesetzt.
Die Einschätzung des BfV beruhe auf einer nicht zu beanstandenden Gesamtbetrachtung. In diese seien zum einen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem so genannten Flügel einbezogen worden. Dieser sei zwar formal aufgelöst worden. Seine Protagonisten übten aber teils weiter maßgeblichen Einfluss innerhalb der Partei aus. Zum zweiten seien Aktivitäten in der Jugendorganisation Junge Alternative (JA) in die Bewertung eingeflossen.
Sowohl im Flügel als auch in der JA sei ein ethnisch verstandener Volksbegriff ein zentrales Politikziel. Danach müsse das deutsche Volk in seinem ethnischen Bestand erhalten und sollten „Fremde“ möglichst ausgeschlossen werden. Dies weiche vom Volksbegriff des Grundgesetzes ab.
Es gebe Verlautbarungen, in denen „Umvolkungs-“ und „Volkstod-“Vorwürfe erhoben würden. Ferner sei eine ausländerfeindliche Agitation zu erkennen („Messer-Migranten“).
Desweiteren rechtfertige auch eine Betrachtung der Partei im Übrigen ihre Einstufung als Verdachtsfall. Diese befinde sich in einem Richtungsstreit, bei dem sich die verfassungsfeindlichen Bestrebungen durchsetzen könnten. Nicht erforderlich sei für eine Einstufung als Verdachtsfall, dass eine Partei von einer verfassungsfeindlichen Grundtendenz beherrscht werde.
Auch dürfe das Bundesamt die Einstufung als Verdachtsfall öffentlich mitteilen, um eine politische Auseinandersetzung zu ermöglichen.
Einstufung des sog. AfD-„Flügels“[2]
In diesem Verfahren wandte sich die AfD gegen die in der Vergangenheit erfolgte Einstufung des so genannten Flügels als Verdachtsfall sowie die im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens erfolgte Hochstufung zu einer „gesichert extremistischen Bestrebung“.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz durfte jedoch auch nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln -aus den im Verfahren über die Einstufung der AfD[1] angeführten Gründen- den Flügel als Verdachtsfall einstufen.
Lediglich die -über die Einstufung als Verdachtsfall hinaus gehende- Einstufung als „gesichert extremistische Bestrebung“ sei heute – nach der formalen Auflösung des Flügels – unzulässig. Eine solche Einstufung erfordere wegen ihrer Intensität Gewissheit über die Existenz des Beobachtungsobjekts, hier des „Flügels“. Daran fehle es auf der Grundlage der vom BfV vorgelegten Erkenntnisquellen jedoch. Das BfV wolle insoweit nach seinem Vorbringen durch die Beobachtung gerade klären, inwiefern der Flügel weiter fortbestehe und Einfluss habe.
Das Verwaltungsgericht untersagte dem BfV auch, weiterhin öffentlich mitzuteilen, der Flügel sei als „gesichert extremistische Bestrebung“ eingestuft worden.
Einstufung der Jungen Alternative (JA)[3]
Die Klage der AfD gegen die Einstufung ihrer Nachwuchsorganisation „Junge Alternative“ (JA) durch den Verfassungsschutz blieb vor dem Verwaltungsgericht Köln ebenfalls ohne Erfolg. Mit dieser Klage wandten sich die AfD und als weitere Klägerin die JA gegen deren Einstufung als Verdachtsfall.
Diese Einstufung der JA ist indes nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden. Es bestünden, so die Kölner Richter unter Bezugnahme auf ihre weiteren Ausführungen zur JA im ersten Verfahren, ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der JA. Dies gelte insbesondere zum sog. Deutschlandplan der JA.
Mitgliederzahl des AfD-„Flügels“[4]
Mit der vierten Klage wandte sich die AfD dagegen, dass das BfV öffentlich mitteilt, der sogenannte Flügel habe 7.000 Mitglieder. Insoweit gab das Verwaltungsgericht der AfD Recht; eine solche Mitteilung sei unzulässig:
Das Gesetz verlange für eine solche Mitteilung – im Gegensatz zu einer Einstufung als Verdachtsfall, für die tatsächliche Anhaltspunkte ausreichten – „hinreichend gewichtige“ tatsächliche Anhaltspunkte. Damit sei mehr erforderlich als die vom Bundesamt zur Begründung seiner Mitteilung angeführte Schätzung der Mitgliederzahl.
Verwaltungsgericht Köln, Urteile vom 8. März 2022 – 13 K 326/21 – 13 K 207/20 – 13 K 208/20 und 13 K 325/21
- VG Köln, Urteil vom 08.03.2022 – 13 K 326/21[↩][↩]
- VG Köln, Urteile vom 08.03.2022 – 13 K 207/20[↩]
- VG Köln, Urteile vom 08.03.2022 – 13 K 208/20[↩]
- VG Köln, Urteile vom 08.03.2022 – 13 K 325/21[↩]