Richterliches Erledigungspensum

Das Dienstgericht des Bundes beim Bundesgerichtshof hatte sich aktuell mit Vorhalt und Ermahnung im Zusammenhang mit einem richterlichem Erledigungspensum zu befassen.

Anlass hierfür bot der Fall eines Richters am Oberlandesgericht Karlsruhe, der sich mit seinen Anträgen gegen Maßnahmen der Präsidentin des Oberlandesgerichts Karlsruhe wandte.

Nach dem Wechsel des Richters in einen anderen Bundesgerichtshof des Oberlandesgerichts ordnete die Präsidentin eine Sonderprüfung des im früheren Dezernat des Richters hinterlassenen Verfahrensbestands an. Nach Durchführung der Sonderprüfung teilte sie dem Richter in einem Vermerk ihre Absicht mit, ihm im Rahmen der Dienstaufsicht die ordnungswidrige Art der Ausführung der Amtsgeschäfte vorzuhalten sowie ihn zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte anzuhalten, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. In der Folge hielt sie ihm die ordnungswidrige Art der Ausführung der Amtsgeschäfte vor und ermahnte ihn zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte. Der Richter unterschreite seit Jahren ganz erheblich und jenseits aller großzügig zu bemessender Toleranzbereiche das Durchschnittspensum. Im Jahre 2011 habe er sogar weniger Verfahren erledigt als dies der durchschnittlichen Leistung einer Halbtagsrichterin/eines Halbtagsrichters am Oberlandesgericht entspreche.

Der Richter hat beim Dienstgericht für Richter beantragt, die Anordnung und Durchführung der Sonderprüfung, den Vermerk mit der Ankündigung, dass eine dienstrechtliche Maßnahme beabsichtigt sei, sowie den Vorhalt einer ordnungswidrigen Art der Ausführung der Dienstgeschäfte und die Ermahnung zur ordnungsgemäßen, unverzögerten Erledigung für unzulässig zu erklären, weil sie ihn in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigten und eine Änderung seiner Rechtsprechung herbeiführen sollten. Die Anträge hatten beim Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht Karlsruhe im Wesentlichen keinen Erfolg[1]. Der Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Stuttgart wies die Berufungen des Richters ebenfalls zurück[2].

Die Revision des Richters ist beim Dienstgericht des Bundes hinsichtlich der Sonderprüfung[3] und der Ankündigung einer dienstaufsichtsrechtlichen Maßnahme[4] erfolglos geblieben.

Die Anordnung der Sonderprüfung[3] verletzte die richterliche Unabhängigkeit nicht. Für die Sonderprüfung bestand im Hinblick auf die bei dem Bundesgerichtshofswechsel zurückgelassenen Akten ein objektiver Anlass. Eine unzulässige Weisung oder ein besonderer Ausdruck des Misstrauens gegen den Richter ging von dieser Maßnahme, auch wenn er vorab nicht informiert worden war, schon deshalb nicht aus, weil sie nur Akten betraf, für die er nicht mehr zuständig war.

Hinsichtlich des Vermerks mit der Ankündigung einer dienstaufsichtsrechtlichen Maßnahme[5] war der Prüfungsantrag bereits unzulässig, weil der Vermerk mit der Gelegenheit zur Stellungnahme eine Verfahrenshandlung war, die eine Maßnahme der Dienstaufsicht vorbereitete, und eine vorbereitende Verfahrenshandlung grundsätzlich nicht gesondert anfechtbar ist.

Hinsichtlich des Vorhalts der ordnungswidrigen Art der Ausführung der Amtsgeschäfte und der Ermahnung zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte[6] hat das Dienstgericht des Bundes dagegen das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an den Dienstgerichtshof für Richter beim Oberlandesgericht Stuttgart zurückverwiesen:

Ein Dienstvorgesetzter darf einen Richter grundsätzlich zu einer ordnungsgemäßen, unverzögerten Erledigung der Amtsgeschäfte ermahnen und ihm eine ordnungswidrige verzögerte Ausführung vorhalten. Die richterliche Unabhängigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes aber beeinträchtigt, wenn dem Richter direkt oder indirekt ein Pensum abverlangt wird, welches sich allgemein, also auch von anderen Richtern, sachgerecht nicht mehr bewältigen lässt.

Das hat im Ausgangspunkt auch der Dienstgerichtshof zugrunde gelegt. Seine Feststellung, dem Richter werde auch nicht indirekt ein Pensum abverlangt, welches sich allgemein, also auch von anderen Richtern sachgerecht nicht mehr bewältigen lässt, ist aber nicht rechtsfehlerfrei getroffen. Es fehlt an ausreichenden Feststellungen des Dienstgerichtshofs dazu, was von anderen Richtern sachgerecht zu bewältigen ist. Durchschnittszahlen können dafür nur ein Anhaltspunkt sein.

Bundesgerichtshof, Urteile vom 7. September 2017 – – RiZ (R) 1/15 – 2/15 und 3/15

  1. LG Karlsruhe, Urteile vom 04.12.2012 – RDG 5/12, 6/12 und 7/12[]
  2. OLG Stuttgart, Urteile vom 17.04.2015 – DGH 1/13, 2/13 und 3/13[]
  3. BGH – RiZ (R) 3/15[][]
  4. BGh – RiZ (R) 1/15[]
  5. BGH – RiZ (R) 1/15[]
  6. BGH – RiZ (R) 2/15[]