Nachbarstreit unter Hunden
Wer haftet für die Folgen eines Hundebisses, wenn nicht abschließend geklärt werden kann, welcher Hund zugebissen hat? Diese Frage stellte sich dem Landgericht Koblenz in einem aktuellen Fall:
Der als selbstständiger Dachdecker tätige Dachdecker führte am Abend des 19.08.2020 seinen angeleinten Hund spazieren, als er auf der Höhe des Anwesens seines Nachbarn stehen blieb, um sich mit diesem zu unterhalten. Der Hund von der Ehefrau des Nachbarn befand sich zu diesem Zeitpunkt unangeleint in der offenen Garage. Das Grundstück der Nachbarn verfügt über keine Einfriedung zwischen der Garage und dem öffentlichen Bürgersteig. Der Nachbarhund lief plötzlich in Richtung des Hundes des Dachdeckers und konnte durch den Nachbarn, was ihm bewusst war, weder körperlich noch durch Zurufe zum Anhalten bewegt werden. Es kam zwischen den beiden Hunden zu einem Gerangel auf dem öffentlichen Bürgersteig. Als der Dachdecker versuchte, die beiden Hunde voneinander zu trennen, wurde er von einem der beiden Hunde gebissen. Aufgrund des Bisses erlitt der Dachdecker eine ca. 2 Zentimeter lange Bisswunde am rechten Ringfinger mit einer Durchtrennung des Nervenastes N 7. Die Verletzungsfolgen mit Taubheitsgefühl, Bewegungseinschränkung, Kraftminderung und Narbenbildung des rechten Ringfingers sind dauerhaft.
Der Dachdecker begehrt mit seiner Klage Schadensersatz (Verdienstausfall) in Höhe von ca. 7.000 € sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 €. Das Landgericht Koblenz hat seiner Klage teilweise stattgegeben:
Nach der Beweisaufnahme steht für das Landgericht fest, dass die Nachbarn dem Dachdecker gegenüber als Gesamtschuldner haften. Der Hund der Nachbarin stelle ein sog. Luxustier dar, sodass die Nachbarin aufgrund der Tierhaltergefährungshaftung nach § 833 S. 1 BGB für den eingetretenen Schaden dem Grunde nach hafte. Ob der Hund der Nachbarn tatsächlich zugebissen habe, könne dahinstehen, weil allein die bloße Mitverursachung bzw. ein bloßes mittelbares Verursachen ausreiche, um die Haftungsvoraussetzungen zu erfüllen.
Auch der Nachbar hafte vorliegend ausnahmsweise aus § 823 Abs. 1 BGB. Zwar durfte der Hund grundsätzlich unangeleint auf dem eigenen Grundstück sein. Der Nachbar wusste jedoch, dass er den Hund weder körperlich noch durch Zurufen daran hindern konnte, das Grundstück zu verlassen. Angesichts dieser besonderen Umstände hafte der Nachbar aufgrund eines Sorgfaltspflichtverstoßes ebenfalls.
Die grundsätzlich vollumfängliche Haftung der Nachbarn sei vorliegend jedoch durch ein Mitverschulden des Dachdeckers in Höhe von 50 % gemindert, weil der Dachdecker in das Gerangel der beiden Hunde eingegriffen habe, obwohl hierfür bei besonnener Abwägung der wechselseitigen Risiken keine Veranlassung bestanden hat. Ein durchschnittlicher und gewissenhafter Hundebesitzer würde in einer solchen angespannten Situation, in der sich zwei Hunde raufen bzw. ein Hund offensichtlich ohne freundliche Absichten auf den anderen Hund zurennt, diesem weder versuchen den Weg zu verstellen noch in das Geschehen einzugreifen.
Angesichts der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehenden Verletzungen sei ein Schmerzensgeld unter Berücksichtigung der Mithaftung von 50 % in Höhe von 4.000 € angemessen, sodass die Nachbarn insgesamt zur Zahlung von 7.500 € verurteilt wurden.
Landgericht Koblenz, Urteil vom vom 12. Juni 2023 – 5 O 38/21