Kartell-Geldbußen – und keine persönliche Haftung des Geschäftsführers
Vorstand und Geschäftsführer haften nicht persönlich für Kartell-Geldbußen eines Unternehmens.
In dem hier vom Oberlandesgericht Düsseldorf entschiedenen Fall hatten zwei miteinander verbundene Edelstahlunternehmen, eine AG und eine GmbH, ihren ehemaligen Vorstandsvorsitzenden bzw. Geschäftsführer wegen seiner Beteiligung an einem Edelstahlkartell auf Schadensersatz verklagt. Dieser hatte in dieser Funktionen in der Zeit von Juli 2002 bis Ende 2015 – insbesondere seit 2012 auch als Vorstandsvorsitzender eines maßgeblichen Branchenverbandes – regelmäßig an dem Austausch wettbewerblich sensibler Informationen teilgenommen. Das Bundeskartellamt hatte in dem anschließenden Bußgeldverfahren gegen zehn Edelstahlunternehmen, zwei Branchenverbände und siebzehn verantwortliche Personen – darunter den beklagten Vorstandsvorsitzenden/Geschäftsführer – Geldbußen in Höhe von insgesamt rund 355 Mio. € verhängt. Gegen die GmbH hatte das Bundeskartellamt ein Bußgeld in Höhe von 4,1 Mio. € und gegen den Geschäftsführer persönlich ein weiteres Bußgeld festgesetzt. Gegen die AG wurde im Hinblick auf das Bußgeld gegen die GmbH kein Bußgeld festgesetzt.
Die klagende GmbH fordert von ihrem ehemaligen Geschäftsführer Schadenersatz in Höhe des gegen das Unternehmen festgesetzten Bußgeldes. Die klagende AG verlangt Erstattung der Aufklärungs- und Rechtsanwaltskosten in Höhe von mehr als einer Mio. Euro. Darüber hinaus begehren beide Unternehmen die Feststellung, dass ihr ehemaliger Vorstandsvorsitzende/Geschäftsführer für alle aus dem Kartell resultierenden Zukunftsschäden hafte.
Das erstinstanzlich hiermit berfasste Landgericht Düsseldorf hat die Klage hinsichtlich des Unternehmens-Bußgeldes sowie der geltend gemachten Aufklärungs- und Rechtsanwaltskosten abgewiesen[1]. Im Übrigen hatte das Landgericht festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet sei, den beiden Unternehmen Schadensersatz für alle weiteren Zukunftsschäden zu leisten, die aus dem Wettbewerbsverstoß resultierten.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat das landgerichtliche Urteil nun in der Berufungsinstanz bestätigt:
Das OLG geht davon aus, dass der Vorstand/Geschäftsführer vorsätzlich an dem kartellrechtswidrigen Informationsaustausch mitgewirkt habe. Er habe sich auch nicht in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden. So habe er sich etwa auf den Sitzungen des Edelstahl-Vereinigung e.V. mit anderen Wettbewerbern über wettbewerblich sensible Informationen wie die aktuelle Auftragslage, die Entwicklung der Lagerbestände, Produktionsstillstände und beabsichtigte Preiserhöhungen ausgetauscht. Vor diesem Hintergrund sei es fernliegend, dass ihm die Kartellrechtswidrigkeit nicht bewusst gewesen sein soll.
Das Landgericht habe zutreffend entschieden, dass hinsichtlich des gegen die GmbH festgesetzten Bußgeldes kein Regress gegen den Beklagten in Betracht komme. Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers und des Vorstandes für Kartellbußen eines Unternehmens scheide aus. Andernfalls werde die kartellrechtliche Wertung unterlaufen, wonach – wie vorliegend – getrennte Bußgelder gegen die handelnde Person und das Unternehmen selbst festgesetzt werden. Die kartellrechtlichen Vorschriften sähen jeweils getrennte Bußgeldnormen für die handelnden Personen und das beteiligte Unternehmen, auch der Höhe nach, vor. Durch den Rückgriff auf den Geschäftsführer bestehe darüber hinaus die Gefahr, dass der Sanktionszweck eines Unternehmensbußgeldes gefährdet werde. So könnten Unternehmen sich durch den Rückgriff auf Geschäftsführer und Vorstände faktisch ihrer kartellrechtlichen Bußgeldverantwortung entziehen. Dies gelte erst recht, wenn Vorstand und Geschäftsführer über eine sog. „D&O-Versicherung“ haftpflichtversichert seien und die Deckungssumme weit höher sei als das gegen das Unternehmen verhängte Bußgeld.
Da die Aufklärungs- und Verteidigerkosten in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bußgeldverfahren gegen das Unternehmen vor dem Bundeskartellamt stünden, könnten diese Kosten ebenfalls nicht erstattet verlangt werden.
Es bleibe mithin eine Haftung des Geschäftsführers und Vorstandes für zivilrechtliche Ansprüche Dritter, die aufgrund des Kartells geschädigt worden seien. Die vom beklagten Vorstand/Geschäftsführer geltend gemachte Verjährung greife nicht. Die mehreren Treffen bildeten im Rahmen einer einheitlichen Grundabsprache eine Bewertungseinheit, sodass die Verjährung der Ansprüche gegen das Leitungsorgan nicht nach jedem Treffen gesondert, sondern erst mit dem letzten Treffen beginne.
Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 27. Juli 2023 – VI -6 U 1/22 (Kart)
- LG Düsseldorf, Urteil vom 10.12.2021 – 37 O 66/20 (Kart).[↩]