Gutgläubiger Gebrauchtwagenkauf

Beruft sich der Erwerber eines gebrauchten Kraftfahrzeugs auf den gutgläubigen Erwerb von einem Nichtberechtigten, muss der bisherige Eigentümer beweisen, dass der Erwerber sich die Zulassungsbescheinigung Teil II (früher: den Kraftfahrzeugbrief) nicht hat vorlegen lassen.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Rechtsstreit kaufte eine Gesellschaft italienischen Rechts, die Fahrzeuge in Italien vertreibt, im März 2019 unter Einschaltung eines Vermittlers ein Fahrzeug von einem Autohaus, bei dem das Fahrzeug stand. Eigentümerin des Fahrzeugs war eine Leasinggesellschaft, die den PKW an das Autohaus verleast hatte und die auch im Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil II ist. Nach Zahlung des Kaufpreises von 30.800 € holte der Vermittler Anfang April 2019 das Auto bei dem Autohaus ab und verbrachte es zu der Käuferin nach Italien. Zwischen der italienischen Käuferin und der Leasinggesellschaft ist streitig, ob dem Vermittler eine hochwertige Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt wurde, in der das Autohaus als Halter eingetragen war. Als die italienische Käuferin ein weiteres Fahrzeug von dem Autohaus erwerben wollte, war es geschlossen. Gegen den Geschäftsführer wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Betrugsverdachts in über 100 Fällen eingeleitet.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Stuttgart hat die auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II gerichtete Klage der Autokäuferin abgewiesen und auf die Widerklage der Leasinggesellschaft die Autokäuferin verurteilt, das Fahrzeug herauszugeben[1]. Auf die Berufung der Autokäuferin hat das Oberlandesgericht Stuttgart umgekehrt entschieden und die Leasinggesellschaft verurteilt, die Zulassungsbescheinigung Teil II an die Käuferin herauszugeben, die Widerklage der Leasinggesellschaft hat es abgewiesen[2]. Der Bundesgerichtshof hat die gegen das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts gerichtete Revision der Leasinggesellschaft zurückgewiesen:

Die Autokäuferin kann von der Leasinggesellschaft die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II verlangen, weil sie Eigentümerin des Fahrzeugs geworden ist (§ 985 BGB i.V.m. § 952 BGB analog). Ursprüngliche Eigentümerin des Fahrzeugs war zwar die Leasinggesellschaft. Zwischen der Autokäuferin und dem Autohaus hat aber eine Einigung und Übergabe im Sinne von § 929 Satz 1 BGB stattgefunden. Weil das Fahrzeug dem Autohaus als Veräußerer nicht gehörte, konnte die Autokäuferin das Eigentum durch diesen Vorgang allerdings nur gutgläubig erwerben (§ 932 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dass die Autokäuferin nicht in gutem Glauben war, muss die Leasinggesellschaft beweisen. Der Gesetzgeber hat die fehlende Gutgläubigkeit im Verkehrsinteresse bewusst als Ausschließungsgrund ausgestaltet. Derjenige, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft, muss die Erwerbsvoraussetzungen des § 929 BGB beweisen, nicht aber seine Gutgläubigkeit.

Diese Beweislastverteilung gilt auch, wenn die fehlende Gutgläubigkeit des Erwerbers – wie hier – darauf gestützt wird, bei dem Erwerb des Fahrzeugs habe die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht vorgelegen. Zwar gehört es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig zu den Mindesterfordernissen für einen gutgläubigen Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen. Wird dem Erwerber eine gefälschte Bescheinigung vorgelegt, treffen ihn, sofern er die Fälschung nicht erkennen musste und für ihn auch keine anderen Verdachtsmomente vorlagen, keine weiteren Nachforschungspflichten. Diese Rechtsprechung ist aber nicht so zu verstehen, dass die Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II von demjenigen zu beweisen wäre, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft. Denn für die von dem Erwerber zu beweisenden Erwerbsvoraussetzungen nach § 929 Satz 1 BGB spielt die Vorlage der Bescheinigung keine Rolle. Sie hat rechtliche Bedeutung nur im Zusammenhang mit dem guten Glauben des Erwerbers; dessen Fehlen muss der gesetzlichen Regelung zufolge der bisherige Eigentümer beweisen.

Allerdings trifft den Erwerber, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft, regelmäßig eine sogenannte sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Vorlage und Prüfung der Zulassungsbescheinigung Teil II. Er muss also seinerseits vortragen, wann, wo und durch wen ihm die Bescheinigung vorgelegt worden ist und dass er sie überprüft hat. Dann muss der bisherige Eigentümer beweisen, dass diese Angaben nicht zutreffen. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Autokäuferin habe mit dem Vortrag zu der Vorlage einer hochwertigen Fälschung ihre sekundäre Darlegungslast erfüllt und die Leasinggesellschaft habe den Beweis für die fehlende Gutgläubigkeit der Autokäuferin nicht geführt, ist nicht zu beanstanden. Das gilt insbesondere für die Auffassung, der gute Glaube der Autokäuferin sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Autohaus dem Vermittler die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht ausgehändigt habe. Das Berufungsgericht sieht einen plausiblen Grund für den Einbehalt der Bescheinigung darin, dass – wie in dem Kaufvertrag vereinbart – auf diese Weise sichergestellt werden sollte, dass die Autokäuferin die Gelangensbestätigung (§ 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV) übersendet, mit der bei innergemeinschaftlichen Lieferungen die Umsatzsteuerfreiheit nachgewiesen werden kann. Das hält der eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle stand.

Weil die Autokäuferin Eigentümerin geworden ist, ist die auf die Herausgabe des Fahrzeugs gerichtete Widerklage der Leasinggesellschaft unbegründet.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 23. September 2022 – V ZR 148/21

  1. LG Stuttgart, Urteil vom 26.2021 – 14 O 43/20[]
  2. OLG Stuttgart, Urteil vom 21.07.2021 – 9 U 90/21[]