Der erbunwürdige Mörder

Erbunwürdig ist unter anderem, wer den Erblasser oder die Erblasserin vorsätzlich und widerrechtlich tötet. Das Ausscheiden als Erbe wegen Erbunwürdigkeit tritt jedoch nicht automatisch ein. Vielmehr muss dies auf eine Anfechtungsklage desjenigen, der von der veränderten Erbfolge profitiert, in einem zivilgerichtlichen Verfahren festgestellt werden. 

Das Zivilgericht ist dabei an rechtskräftige Feststellungen eines Strafurteils nicht gebunden, sondern muss sich in freier Würdigung der Beweise selbst von der widerrechtlichen Tötung überzeugen. Das rechtskräftige Strafurteil kann allerdings als Beweisurkunde verwendet werden. Seine Feststellungen haben besonderes Gewicht bei der Beweiswürdigung. In der Regel wird den strafgerichtlichen Feststellungen zu folgen sein, sofern nicht gewichtige Gründe für deren Unrichtigkeit sprechen. Wer sich, wie hier der Mörder, auf einen vom Strafurteil abweichenden Sachverhalt beruft, muss gewichtige Gründe darlegen, die gegen dessen Richtigkeit sprechen.

In dem hier vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall wurde der Ehemann im Mai 2017 wegen heimtückischen Mordes an seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau vom Landgericht – Schwurgericht – Bielefeld zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt[1]. Das Urteil ist seit Februar 2018 rechtskräftig. Die Revision des Ehemanns wurde durch den Bundesgerichtshof als unbegründet verworfen. Zwei Wiederaufnahmeanträge des Ehemanns blieben über beide Instanzen erfolglos. Nach dem rechtskräftigen Strafurteil hat der Ehemann sich am Morgen des 15. September 2016 vor dem Haus seiner Ehefrau in Bielefeld versteckt. Er war mit einer Sturmhaube maskiert und führte eine Schrotflinte bei sich. Als die Ehefrau das Grundstück in ihrem Fahrzeug verließ, trat der Ehemann aus seinem Versteck hervor und gab einen Schuss auf den Wagen ab. Hierdurch verlor die Ehefrau die Kontrolle über das Fahrzeug. Als dieses zum Stillstand kam, trat der Ehemann an die Fahrertür heran. Mit zwei weiteren Schüssen zerstörte er die Scheibe und tötete seine Ehefrau. Das Schwurgericht hat sich in einer Gesamtwürdigung aller Indizien von der Täterschaft des Ehemanns überzeugt, der ein nachvollziehbares Tatmotiv hatte und mit den Örtlichkeiten und Gewohnheiten seiner Ehefrau vertraut war, um eine günstige Tatgelegenheit abzupassen. Er hatte als Jäger Zugang zu Waffen und war mit deren Umgang vertraut. Als wichtigste Indizien hat das Schwurgericht die DNA-Spuren des Ehemanns an den am Tatort gefundenen zwei Patronenhülsen, der Sturmhaube und einem Langwaffen-Futteral angesehen.

Kraft gesetzlicher Erbfolge erbte der Ehemann neben den beiden mit der Getöteten gemeinsamen Kindern. Nach Abschluss des Strafverfahrens erhoben die Kinder eine Anfechtungsklage, mit der sie sich gegen die Erbberechtigung ihres Vaters wandten. Gestützt auf die strafgerichtlichen Feststellungen gab das Landgericht Bielefeld dieser Klage wegen Erbunwürdigkeit statt[2]. Die hiergegen vom Ehemann eingelegte Berufung zum Oberlandesgericht Hamm blieb ohne Erfolg:

Die vom Ehemann vorgebrachten Umstände waren zur Überzeugung des Oberlandesgerichts Hamm unerheblich, sodass eine weitere Beweisaufnahme nicht erforderlich war. Soweit er mit näheren Ausführungen erstmals im zivilrechtlichen Berufungsverfahren den Lebensgefährten seiner getöteten Ehefrau als vermeintlichen Täter ins Spiel brachte, konnte er nicht darlegen, warum er dies nicht bereits viel früher, spätestens in der ersten Instanz des Zivilverfahrens vorgebracht hatte. Seine Behauptung, dass ein Dritter – insbesondere jener Lebensgefährte – die Patronenhülsen, Sturmhaube und das Langwaffen-Futteral gezielt am Tatort platziert habe, um ihn zu belasten, ist rein spekulativ. Bereits das Schwurgericht hat das absichtliche Legen falscher Spuren durch eine dritte Person mit näherer Begründung ausgeschlossen. Hiergegen spricht neben den Schwierigkeiten der Beschaffung des Spurenmaterials vor allem auch der zeitliche Ablauf nach der Tat, da die Mutter der Getöteten unmittelbar nach den Schüssen zum Tatort eilte. Seine nunmehr vorgebrachten Einwände gegen die Bewertung der DNA-Spuren stellen die strafgerichtliche Würdigung dieser Spuren nicht in Frage.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 27. Oktober 2022 – 10 U 28/19

  1. LG Bielefeld, Urteil vom 19.05.2017 – 10 Ks 1/17[]
  2. LG Bielefeld, Urteil vom 11.02.2019 – 19 O 203/13[]