Cannabis zur Schmerztherapie – aus eigenem Anbau

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verpflichtet, dem schwer kranken Kläger eine Ausnahmeerlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu erteilen, weil das Betäubungsmittel für seine medizinische Versorgung notwendig ist und ihm keine gleich wirksame und erschwingliche Therapiealternative zur Verfügung steht.

Der 52-jährige Kläger des jetzt vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Streitfalls ist seit 1985 an Multipler Sklerose erkrankt. Die Symptome seiner Erkrankung behandelt er seit etwa 1987 durch die regelmäßige Einnahme von Cannabis. Vom Vorwurf des unerlaubten Besitzes und Anbaus von Betäubungsmitteln ist er zuletzt im Januar 2005 freigesprochen worden. Das Strafgericht sah sein Handeln als gerechtfertigt an, weil ihm keine Therapiealternative zur Verfügung stehe. Den seit Mai 2000 gestellten Antrag des Klägers auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Anbau von Cannabis zur medizinischen Selbstversorgung lehnte das BfArM mit Bescheid vom 6. Dezember 2007 und Widerspruchsbescheid vom 10. August 2010 ab.

Das Verwaltungsgericht Köln hob die Bescheide auf und verpflichtete das BfArM, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden[1]. Die weitergehende Klage wies es zurück. Die gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil gerichteten Berufungen des Klägers und des BfArM blieben vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster ohne Erfolg[2].

Das Bundesverwaltungsgericht hat nun auch die Revision des BfArM zurückgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat es die Urteile der Vorinstanzen geändert und das BfArM verpflichtet, dem Kläger die beantragte Erlaubnis zu erteilen.

Nach § 3 Abs. 2 BtMG kann das BfArM eine Erlaubnis zum Anbau von Cannabis nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen. Die Behandlung des schwer kranken Klägers mit selbst angebautem Cannabis liegt hier ausnahmsweise im öffentlichen Interesse, weil nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts die Einnahme von Cannabis zu einer erheblichen Linderung seiner Beschwerden führt und ihm gegenwärtig kein gleich wirksames und für ihn erschwingliches Medikament zur Verfügung steht.

Der (ebenfalls erlaubnispflichtige) Erwerb von so genanntem Medizinalhanf aus der Apotheke scheidet aus Kostengründen als Therapiealternative aus. Seine Krankenkasse hat eine Kostenübernahme wiederholt abgelehnt. Eine Eigenfinanzierung ist ihm mit seiner Erwerbsunfähigkeitsrente nicht möglich.

Der Kläger kann auch nicht darauf verwiesen werden, wegen der Kostenübernahme durch die Krankenkasse erneut den sozialgerichtlichen Klageweg zu beschreiten. Eine solche Klage ist ihm unter den gegebenen Umständen nicht zumutbar.

Der Erlaubniserteilung stehen auch keine Versagungsgründe nach § 5 BtMG entgegen. Nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts Münster ist die Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs hinreichend gewährleistet. Mit den vom Kläger vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen in seiner Wohnung sind die Betäubungsmittel ausreichend gegen eine unbefugte Entnahme geschützt.

Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Verwendung durch ihn selbst. Des Weiteren verfügt der Kläger aufgrund der jahrelangen Eigentherapie inzwischen über umfassende Erfahrungen hinsichtlich Wirksamkeit und Dosierung der von ihm angebauten Cannabissorte.

Außerdem stehen der Anbau und die Therapie unter ärztlicher Kontrolle.

Die Erlaubnis ist auch nicht mit Rücksicht auf das internationale Suchtstoffübereinkommen von 1961 zu versagen.

Unter diesen Voraussetzungen ist die Erteilung der Ausnahmeerlaubnis wegen der von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geforderten Achtung vor der körperlichen Unversehrtheit rechtlich zwingend vorgezeichnet, so dass das der Behörde eröffnete Ermessen „auf Null“ reduziert ist.

Davon unberührt bleibt die Befugnis des BfArM, die Erlaubnis mit Nebenbestimmungen zu versehen.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 6. April 2016 – 3 C 10.2014 –

  1. VG Köln, Urteil vom 11.01.2011 – 7 K 3889/09[]
  2. OVG NRW, Urteil vom 11.06.2014 – 13 A 414/11[]